Kuttermesser
Am Wort!

Unsere Lebensmittel in Gefahr – Insolvenzwelle der familiengeführten Fleischverarbeiter droht

August Staudinger über die derzeitigen Probleme der Branche

Fleisch- und Wurstwaren produzierende Familienunternehmen können ihre Kostenerhöhungen schon lange nicht mehr in den Produktpreisen durch entsprechende Preisaufschläge unterbringen. Dies betrifft die gesamte Branche und stellt somit eine Gefahr für die Versorgung Österreichs mit heimischen, regionalen Lebensmitteln dar. Die großen Handelsketten – mit Unterstützung und durch Antrieb der Politik – sind nun gefordert, mit den Produzenten zusammenzuarbeiten, um wieder zu einer Win-Win-Situation zu gelangen. Dies ist entscheidend für die Zukunft unserer regionalen Lebensmittel und der österreichischen Familienbetriebe.

Sehr geehrte Vorstände und das oberste Management der Handelsketten in Österreich!

Seit 24 Jahren beraten wir, Staudinger & Partner, über 400 Unternehmen entlang der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette. Daher kennen wir die Branche der fleischverarbeitenden Betriebe Österreichs in- und auswendig.

Als gelernter Fleischhauermeister, Gastronom sowie ehemaliger Einkäufer und Geschäftsführer einer Handelskette habe ich sowohl auf der Produktions- als auch auf der Handelsseite gesessen und kenne daher auch die verschiedenen Perspektiven.

Seit einiger Zeit bemerke ich, dass sich die Branche verändert. Langjährig erfolgreiche und finanziell stabile Familienunternehmen befinden sich in einer echten Notlage.

Die Rohstoff-, Energie- und Personalkosten sind seit Corona-Zeiten bei den Produzenten signifikant gestiegen. Allein die Löhne sind 2023 um fast 10 % und 2024 um über 5 % gestiegen. Diese Kosten können vielfach nicht in die Produkte eingepreist werden. Dadurch schreiben viele fleischverarbeitende Familienbetriebe derzeit Verluste – wir sprechen hier von ca. 8.000 direkt betroffenen Mitarbeitern.

Die Insolvenzmeldungen einiger bekannter Fleischer, wie z.B. der Kletzl Fleischwaren GmbH, sind nur ein Vorgeschmack auf die Welle an Firmenschließungen, die uns in Österreich akut droht.

Wie kann es so weit kommen, dass produktive und traditionell beständige Familienbetriebe plötzlich schließen müssen und zahlreiche MitarbeiterInnen entlassen werden?

Der Lebensmitteleinzelhandel und Großhandel in Österreich, dominiert von nur wenigen Handelsfirmen, ist übermächtig. Er stellt immer neue Anforderungen an die Betriebe, entwertet die Produkte durch ständige Aktionsangebote und nutzt seine starke Position in Preisverhandlungen zum Nachteil seiner Lieferanten. So wird die Planungssicherheit für Fleischwarenproduzenten verhindert, wodurch in weiterer Folge auch Landwirte und MitarbeiterInnen betroffen sind.

Wenn dies so weitergeht, wird es in Zukunft keine familiengeführten Hersteller mehr geben, sondern nur noch internationale Konzerne, die Massenware produzieren. Die für uns zur Gewohnheit gewordene Qualität und Wertigkeit regionaler, genussvoller Produkte wird verschwinden.

Das einzige, was dieses Schreckensszenario verhindern kann, ist, dass die Abnehmer der Fleischwarenproduzenten dafür sorgen, dass diese je nach Warengruppe mindestens 5–8 % mehr für ihre Produkte erhalten. Eine bessere Vergütung ist ein absolutes Muss für das Überleben der Branche.

Die Einkäufer der großen Handelsketten sind auch nur Umsetzer von Vorgaben und hier nicht zu verurteilen. Daher appelliere ich an das oberste Management, die Direktoren und Vorstände: Benutzen Sie unsere regionalen Familienbetriebe nicht nur für gut klingende Werbeaussagen, sondern seien Sie fair und achten Sie darauf, dass Geben und Nehmen in der Zusammenarbeit in Balance sind.

Diese Familienunternehmen, um die es geht, sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Sie sorgen für Produktvielfalt am Markt, sind als regionale Arbeitgeber und Nahversorger für viele Menschen essenziell und beflügeln unseren Wirtschaftsstandort durch laufende Innovationen. Als Fleischwarenmanufakturen sind sie auch Hüter unserer Tradition und unseres kulturellen Erbes.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

August Staudinger

Fleisch & Co

Das Fachmagazin für Fleischer, Fleischindustrie und fleischverarbeitende Direktvermarkter bietet Fachinformationen von der Erzeugung über die Verarbeitung bis zur Vermarktung von Fleisch und Fleischprodukten. Haben Sie interessante Themen für die Branche? Wollen Sie Kooperationspartner werden? Dann melden Sie sich bei uns.

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